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Lehre und Fortbildung

Lehrstuhlprogramm und Prüfungen für Juristen

Da die Tübinger Kriminologie der Juristischen Fakultät zugeordnet ist (s. Institut und Lehrstuhl: Entwicklung im Überblick ), liegt der Schwerpunkt der Lehre naturgemäß in der Ausbildung von Rechtsstudenten und -studentinnen. Das Grundprogramm der Lehre wird durch die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen des Landes Baden-Württemberg (JAPrO) in der jeweiligen Fassung, mit dem Ziel des Staatsexamens (Erste juristische Staatsprüfung) determiniert. Der Studienplan der Juristischen Fakultät trifft dazu nähere Ausführungsbestimmungen. Danach gehört die Kriminologie zu den Wahlfächern. Jeder Studierende hat aus einer begrenzten Zahl von Wahlfachangeboten ein einzelnes Fach oder je nachdem auch eine Fachgruppe auszuwählen und für sich verbindlich zu bestimmen. Seit April 1993 bildet die Kriminologie zusammen mit Jugendstrafrecht und Strafvollzug die Wahlfachgruppe 14 .

Beim Zulassungsantrag für das Staatsexamen müssen die Kandidaten zwar durch die Belege im Studienbuch nachweisen, daß sie die Hauptveranstaltungen in der Wahlfachgruppe studiert haben. Im Examen selber sind die Wahlfachgruppen jedoch seit der letzten Reform nur noch im mündlichen Teil vertreten, und zwar als einer von vier Abschnitten neben Zivilrecht, Strafrecht und Öffentlichem Recht. Vorher galten die Wahlfächer als sog. Zulassungsfächer; d.h. die Studierenden mußten bis zur Meldung zum Staatsexamen bestimmte Leistungen erbringen (z.B. Übung oder Seminar), im Examen selber wurden aber keine Leistungen mehr abgefordert, es sei denn kursorisch im Rahmen von Pflichtfachprüfungen. Die wiederum vorhergehende und in Baden-Württemberg ursprüngliche Reformlösung hatte den Wahlfachgruppen eine unter 8 Klausuren und einen unter 4 mündlichen Prüfungsteilen eingeräumt. Derzeit gibt es in den Bundesländern recht unterschiedliche Lösungen, unter anderem in Abhängigkeit davon, ob sie eher dem "norddeutschen Modell" (Hausarbeit, wenige Klausuren, Mündliches) oder eher dem "süddeutschen Modell" (7 bis 9 Klausuren, Mündliches) folgen.

Vorlesungen und Übungen in der Wahlfachgruppe

Die kriminologische Lehre orientiert sich, auch in Anlehnung an die Tradition der Fakultät und des Lehrstuhls, an einem Zyklus von drei Semestern. Angesprochen werden Jurastudenten ab dem 5. Fachsemester, wobei in der Praxis Ausnahmen sowohl nach unten als auch nach oben in der Semesterzahl vorkommen und erforderlichenfalls durch Einzelberatung in den regulären Betrieb "eingefügt" werden. Entsprechend den Zulassungskriterien der Fakultät beginnt der Zyklus jeweils in einem Wintersemester.

5. Semester:

6. Semester:

7. Semester:

Das jetzige Curriculum der Juristenausbildung läßt nicht mehr viel Spielraum für Zusatzangebote, die die Studierenden im knappen Studienplan wirklich nutzen können. Dennoch sollen bei Gelegenheit und Bedarf Möglichkeiten geschaffen werden. Bisher gab es eine vielfältige Palette, so etwa begleitende Arbeitsgemeinschaften oder Übungen zu den Einzelthemen Geschichte der Kriminologie, Methoden der Kriminologie, Theorien der Kriminologie, Kriminalstatistik, psychologische Methoden, Methoden und Fragestellungen der empirischen Sozialforschung. Besondere Vorlesungen behandelten Viktimologie, Kriminalitätstheorien und Sanktionenlehre.

Neben regelmäßigen Seminaren, die auch anderen Disziplinen offenstehen wird in unregelmäßigen Abständen ein Forschungsseminar für Vorgerückte und für Doktoranden angeboten, das je nach Umständen und Bedarf einmal als Methodenseminar, ein andermal als themenbezogenes Seminar ausgestaltet wird.

Seminare

Der derzeitige Studienplan sieht auf der Grundlage der JAPrO vor, daß die Jurastudenten bis zum Staatsexamen ein Seminar mitmachen sollen. Jedoch besteht die Möglichkeit, stattdessen einen zweiten Schein (Abschlußklausur oder mündliche Prüfung) in einem sog. Grundlagenfach wie Rechtssoziologie oder Rechtsphilosophie zu erwerben, den sog. Grundlagenschein. Auch kann jetzt wieder das Seminar aus jedem Rechtsgebiet (im weitesten Sinne) gewählt werden, während es vor April 1993 aus einer Wahlfachgruppe stammen oder zumindest Bezug zu einer solchen haben mußte. In der Wahlfachgruppe 14 achten wir zentral darauf, die Seminare als wissenschaftliche Veranstaltungen auszugestalten, d.h. nach Möglichkeit an aktuelle Probleme empirischer Forschung anzuknüpfen. Die Studierenden sind also gefordert, sich mit Forschungsberichten, Daten und anderem Material unmittelbar auseinanderzusetzen. Das erfordert oft die Einbeziehung ausländischer, vor allem angloamerikanischer Schriften. Gelegentlich werden auch aktuelle kriminalpolitische Fragen in den Mittelpunkt eines Seminars gestellt.

Insgesamt ist die Palette der Fragen recht breit gestreut, wie die folgende Aufstellung verdeutlicht:

WS 1986/87:
Forschungsseminar für Vorgerückte über neuere Forschungsergebnisse aus der empirischen Sozialforschung
SS 1987:
Stand, Probleme und Ertrag der Verlaufsforschung (zusätzlich: Forschungsseminar für Vorgerückte; zusätzlich: Praxisseminar "Angewandte Kriminologie")
WS 1987/88:
Forschungsseminar für Vorgerückte
SS 1988:
Umweltkriminalität (zusätzlich: Forschungsseminar für Vorgerückte)
WS 1988/89:
Praxisseminar als vertiefendes Methodenseminar für Vorgerückte
SS 1989:
Kriminalität bei Rand- und Außenseitern (zusätzlich: Forschungsseminar für Vorgerückte)
WS 1989/90:
Praxisseminar "Angewandte Kriminologie"
SS 1990:
Forschungsseminar für Vorgerückte
WS 1990/91:
Neuere Problembereiche der Theorie und Forschung (Grundseminar)
SS 1991:
Neuere Problembereiche der Theorie und Forschung (Aufbauseminar)
WS 1991/92:
Lebensverläufe, soziale Abweichung und Reintegration
SS 1992:
Korrelate devianter Lebensverläufe
WS 1993:
Gewalt in der Familie
WS 1993/94:
Physische und sexuelle Mißhandlung von Kindern: Analyse der jüngeren internationalen empirischen Forschung
SS 1994:
Partnergewalt und Beziehungsdelikte: Analyse der jüngeren internationalen empirischen Forschung
WS 1994/95:
Gewalt in der Familie - Die Rolle der Polizei / Policing Domestic Violence. Neuere Forschungsergebnisse in internationaler Perspektive

Kooperationsseminare

Seit 1990 wurde im Zusammenhang mit der deutschen Wiedervereinigung (und mit Bezug zu Forschungsprojekten die Gelegenheit genutzt, mit Partnern außerhalb der Universität Tübingen gemeinsam Seminare zu planen und zu organisieren. Diese sog. Kooperationsseminare sind unterschiedlich dicht integriert, je nach Thema, Anlaß und Enge der Verbindung der Beteiligten. Im optimalen Fall werden alle Schritte von der Ideenentwicklung über die Seminartage selber (i.d.R. Blockveranstaltung) bis zur Beurteilung der Arbeiten im direkten Austausch gestaltet. Folgende Themen wurden bisher behandelt:

WS 1990/91:
Kriminalität und Kriminologie im Umbruch. Zur Bewältigung der Lage in der ehemaligen DDR (Partner: Fritz-Erler-Akademie Freudenstadt)
SS 1991:
Sozialer Umbruch im ehemaligen Ostblock und Soziale Probleme (Partner: Dozenten und Studenten der Humboldt-Universität Berlin)
WS 1993/94:
Sozialer Umbruch und abweichendes Verhalten in Deutschland und Osteuropa (Partner: Dozenten und Studenten der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald).

Sonstiges Lehrangebot für Rechtsstudenten

Der Lehrstuhl für Kriminologie hilft im Rahmen des Möglichen und bei besonderem Bedarf in der Fakultät auch mit Angeboten außerhalb der Wahlfachgruppe aus. Dies dient nicht nur der Verbindung mit dem Programm in den Pflichtfächern (auch Grundlagenfächern) und den anderen Wahlfachgruppen, sondern bietet auch die Gelegenheit, solche Studierende en passant mit Fragestellungen und Einsichten aus dem eigenen Forschungsbereich vertraut zu machen, die von Hause aus zunächst keine Neigung für die Kriminologie verspüren. Tatsächlich konnte bisher immer wieder ein Anregungseffekt dergestalt bemerkt werden, daß nach solchen Lehrveranstaltungen "neue" Studenten in die folgenden Wahlfachveranstaltungen kamen. Besonderen Zulauf gab es zu aktuellen Seminaren.

Die bisherigen Veranstaltungen waren seit 1986 wie folgt ausgerichtet:

Die Wissenschaftlichen Mitarbeiter des Lehrstuhls beteiligen sich darüber hinaus an den Fallbesprechungen zu den Vorlesungen im Strafrecht.

Im Postgraduiertenstudium, das die Fakultät für ausländische Absolventen anbietet, die den Magister Juris in Tübingen erwerben wollen (LLM-Programm beteiligt sich der Lehrstuhl je nach Interesse der Bewerber, die zum jährlichen Durchgang vom LLM-Beauftragten und der Fakultät zugelassen werden.

Die einfache Form der Beteiligung ist die Mitbetreuung von LLM-Kandidaten in der Lehre (Beratung im Rahmen der Vorlesung, Semesterabschlußprüfung, Mitwirkung im mündlichen LLM-Examen). Die anspruchsvollere Form ist die Verantwortung für einen Kandidaten oder eine Kandidatin während der Studienzeit, insbesondere die Betreuung der Abschlußarbeit. Bisher wurden Kandidaten aus Australien, China, Dänemark, Italien, Österreich, Japan und der Schweiz (mit- oder hauptverantwortlich) betreut.

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Institut für Kriminologie - Stand 10. Oktober 1995 - ifk@uni-tuebingen.de(ifk@uni-tuebingen.de)